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Rollenspiel in der Familie – Erfahrungen und pädagogische Perspektive
Rollenspiel in der Familie – Erfahrungen und pädagogische Perspektive
Ein sonniger Sonntagmorgen. Nach einer mehr als dreimonatigen Pen-&-Paper Rollenspiel-Kampagne mit der Familie und befreundeten Nachbarn mit Kindern, reflektieren ich mit meinem Mann Hendrik über das Erlebte, seinen Spielansatz und meine pädagogische Perspektive darauf.
Hendrik: Bekannte Bücher und Filme wecken bei unserer Familie schon lange das Interesse, diese Geschichten auch in einem Pen-&-Paper Rollenspiel zu erleben. Seien es My Little Pony, Herr der Ringe/der Hobbit, Avatar oder Harry Potter. Die entsprechenden Pen-&-Paper Rollenspiele gibt es, teilweise auch in mehreren Varianten. Mein Abenteuer war es, meine Familie und eine befreundete Nachbarsfamilie, die noch keine Erfahrung mit dieser Art von Spiel hatte, daran heranzuführen: Mit Whattsapp, kleinen Videos und Informationen Stück für Stück.
Kathrin: Guter Ansatz. Bekannte Welten geben Spielenden Vorwissen und Sicherheit. Sie können sich so viel leichter auf das Spiel einstellen, da sie den Ton der Welt kennen und wissen, wie sich Figuren darin bewegen. Sie können so viel selbstbewusster einsteigen, da sie bereits Experten der Welt sind, selbst wenn sie die Spielmechanik nicht kennen. Erklärungen und Videos können neugierig machen und motivieren. Man sollte allerdings damit auch nicht übertreiben. Wenn die Erwartungen zu groß werden, kann man diese als Spielleiter*in kaum noch erfüllen. Außerdem kann man damit die Spielenden verschrecken, die unsicher sind, ob sie dem Anspruch gerecht werden. Das richtige Maß ist hier wichtig.
Hendrik: Wir spielen als Familie mit drei Kindern im Alter von aktuell 7, 11 und 13 Jahren seit ca. 2-3 Jahren regelmäßig Pen-&-Paper Rollenspiele. Zunächst trauten wir uns an Beyond the Wall von System Matters, dann folgte eine lange Phase mit Tales of Equestria, die My Little Pony Adaption von Pegasus Spiele. Den Klassiker der Pen-&-Paper Rollenspiele ‚Das Schwarze Auge‘ von Ulisses Spiele spielten wir nicht, sondern versuchten die kindgerechte Variante ‚Die schwarze Katze‘, ebenfalls von Ulisses Spiele. Freunde und Nachbarn, mit oder ohne Kinder, bekamen mit, dass wir nicht die üblichen Brettspiele mit unseren Kindern spielten, sondern gemeinsam Geschichten erzählten und erlebten. Das weckte bei einer gut befreundeten Familie die Neugier und die Idee geboren, gemeinsam ein neues Spiel zu entdecken. Und der gemeinsame Nenner war schnell gefunden: Das in 2022 neu verlegte ‚The One Ring‘ von Free League sollte es sein. Denn alle Erwachsenen und Kinder kannten und mochten die Geschichten aus Mittelerde, sei es aus den Büchern J. R. R. Tolkiens oder den Verfilmungen von Peter Jackson. Für mich war dies übrigens einer der Momente, in dem mir klar wurde, wie sehr Literatur, Filme und Pen-&-Paper Rollenspiele sich gegenseitig beeinflussen, aber das ist einen eigenen Blogbeitrag wert.
Kathrin: Alle von uns ausprobierten Spiele boten einen erleichterten Zugang: Beyond the Wall ist so etwas wie „allgemeine Fantasy“, bei dem man kein Wissen über eine bestimmte Welt braucht, sondern diese erst entwickelt. My Little Pony und der Hobbit war den Kindern bekannt. Aventurien kannten die Kinder nicht, aber sie konnten sich gut vorstellen, wie sie sich als Katzen verhalten würden. Hier war die Welt weniger wichtig, als die tierische Perspektive. Die Schwarze Katze hat streng genommen auch keine Regeln für Kinder, sie sind nur etwas leichter als die DSA-Regeln. Es gibt allerdings stark vereinfachte Regeln im DSK-Kompendium.
Hendrik: Ich fragte mich: The One Ring auf Englisch mit Kindern und Pen-&-Paper Neulingen – geht das? Ich versuchte es mit einer emotionale Ansprache und mit Medien, die einfach waren und gerne von allen Spieler*Innen benutzt wurden: Whattsapp und Videos. Ich gründete eine Whattsapp-Gruppe und begann, Stück für Stück durch kleine Videos die Gruppe zusammen und an das Spiel heran zu führen. Über eine Woche postete ich jeden Tag kleine Informationen, Bilder, Videos und Texte. Zunächst begann ich mit einer Erklärung, wie wir die Whattsapp-Gruppe nutzen können. Es folgte eine Beschreibung von Mittelerde und Tolkiens Welt und eine Einordnung des geplanten Abenteuers in die Zeit zwischen ‚Der Hobbit‘ und ‚Der Herr der Ringe‘. Ich stellte die Charaktere, sechs Hobbits, vor und jeder konnte sich einen Charakter aussuchen. Es gab unerwarteter Weise gar keinen Zank darüber, wer wen spielen wollte. Erst nachdem ich Lust auf die Welt und die Charaktere gemacht hatte, erklärte ich in einfachen Worten, wie ein Pen-&-Paper Rollenspiel gespielt werden kann. Und da ich die Regeln von ‚The One Ring‘ noch gar nicht so gut kannte, war klar, dass wir diese Regeln und die Welt gemeinsam und Schritt für Schritt erkunden würden. In dem letzten Videos war es mir wichtig zu vermitteln, dass ich als Spielleitung Teil der Gruppe bin, dass sich jeder in der Gruppe wohl fühlt, und dass wir gemeinsam besprechen würden, wie wir als Gruppe in den nächsten Abenteuern miteinander umgehen wollen. Ich kündigte also eine klassische Session Zero als erstes reales Treffen an unserem Tisch an. Unser erstes Treffen bestand im ersten Teil aus allem, was in so eine Session Zero hinein gehört. Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, empfehle ich folgendes Video von Peter Wiezorek https://www.youtube.com/watch?v=4H_wx_b3q8c
Kathrin: In der Session Zero muss natürlich nicht alles Denkbare abgehandelt werden. Gerade Kinder sind dadurch auch schnell überfordert. Wichtig ist vor allem, dass zu Beginn signalisiert wird, dass jeder Bedürfnisse äußern darf und soll und diese gehört werden, mit dem Ziel, für alle eine möglichst angenehme Spielrunde zu schaffen.
Hendrik: Guter Punkt. Fragen wie ‚Darf ein Charakter sterben‘, ‚Arbeiten wir zusammen oder auch mal gegeneinander‘ oder ‚wovor haben wir Angst und was soll nicht vorkommen‘ wurden schnell in unserer Gruppe geklärt und nach einer kleinen Pause begannen wir im zweiten Teil endlich zu spielen. Das Licht wurde gedämmt, passende Musik abgespielt und etwas Dekoration verteilt. Diese äußeren Elemente waren für alle bereichernd und haben uns direkt in das Abenteuer katapultiert. Und ab dem Punkt war das Spielen mit Kindern und Rollenspiel-Neulingen ein Selbstläufer. Innerhalb von drei Monaten haben vier Erwachsene und vier Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren fünf Hobbit-Abenteuer aus ‚The One Ring‘ durchgespielt. Und alle wollen weiterspielen.
Kathrin: Obwohl The One Ringe (oder auf Deutsch „Der Eine Ring“ erschienen bei Truant) nicht speziell für Kinder konzipiert wurde, hat es für uns in der Konstellation als Familie sehr gut funktioniert. Gerade die Einsteigerbox bleibt im Auenland, in der Welt der Hobbits. Die Aufgaben sind vielfältig, Kampf ist eher die letzte Alternative (Hobbits sind nicht für ihre aggressive Verhaltensweise bekannt). So lernen die Spielenden viele Lösungsoptionen für Konflikte kennen und lösen nicht von Anfang an alle Probleme mit Gewalt.
Hendrik: Mein Fazit: Regelleichte Systeme und eine einfache Heranführung an die Welt und die Regeln sind wichtig, damit auch Kinder und erwachsene Neulinge die Lust am Pen-&-Paper Rollenspiel bekommen. Dabei darf die Spielleitung durchaus kreativ sein und die Mitspielenden dort abholen, wo sie sind.
Kathrin: Wenn ich überlege, was bei diesem Spiel der besondere Lerneffekt war, dann ist es der Umgang mit dem Scheitern. Nimmt man die Regeln in diesem Spiel genau, dann kann man sehr leicht Aufgaben auch mal nicht schaffen. Kein Wunder, man spielt ja nur kleine Hobbits. Natürlich kann die Spielleitung für ein Fail Forward sorgen – dass nicht geschaffte Versuche die Handlung trotzdem vorantreiben. Für die Spielenden kann es trotzdem frustrierend sein. Oder auch nicht. Denn gerade kleine Hobbits können versagen, ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen. Es sind ja nur kleine Hobbits, denen muss nicht alles gelingen. Die versuchen es wieder, trösten sich oder denken sich neue Lösungen aus.
Ich hoffe, ihr könnt einiges für eurer Rollenspiel mit Kindern und Neulingen mitnehmen.
Mit würfeligen Grüßen,
Eure Kathrin Fischer
2023 – Das Jahr für edukatives Pen-&-Paper Rollenspiel
2023 – Das Jahr für edukatives Pen-&-Paper Rollenspiel
2023 – Das Jahr für edukatives Pen-&-Paper Rollenspiel
Seit dem Jahr 2020 nutzt EduTale® das edukative Pen-&-Paper Rollenspiel zur Vermittlung von sozialen Kompetenzen sowie als Methode in Bildung und Therapie. Und in 2023 soll es noch intensiver werden. Die Aktivitäten werden wieder sehr vielfältig sein. Ein Ausblick:
Ich begleite weiter wöchentlich Pen-&-Paper Gruppen in der Ergotherapie. Erneut biete ich Workshops für Pädagog*Innen, Therapeut*Innen oder interessierte Rollenspieler*Innen an. Schwerpunkte sind dabei das theoretische und praktische Erlernen von Pen-&-Paper Rollenspielen als Methode in Bildung und Therapie, sowie die Anleitung zur Entwicklung eigenere, zielorientierter Abenteuer. Die Workshops finden online statt und sind aufeinander bauend gestaltet. Die Abenteuerwerkstatt richtet sich an Teilnehmende mit Vorerfahrung, möglicherweise im Anschluss an den interdisziplinären Workshop Pen-&-Paper Rollenspiele und wird in einer kleineren Gruppe durchgeführt.
- Interdisziplinären Workshop am 29./30. April: Veranstaltung | EduTale
- Interdisziplinären Workshop am 4./5. November: Veranstaltung | EduTale
- Abenteuerwerkstatt am 18./19. November: Veranstaltung | EduTale
Neben der Weiterbildung von Fachpersonal biete ich auch wieder Projekttage und Ferienangebote an Schulen, im Offenen Ganztag und auch in außerschulischen Bereich an. Ein Highlight in 2022 war sicherlich die Durchführung einer 3-tägigen Reihe von Pen-&-Paper Rollenspiel für Kinder mit Migrationshintergrund. Das wurde in Kooperation mit dem Bildungsbüro Leverkusen durchgeführt und war sehr inspirierend für mich. Die Methode wirkt und die beteiligten Kinder hatten mit der Sprachaktivierung auch einfach eine Menge Spaß. Es geht nämlich beides: Lernen und Spaß haben. Lernen geht mit Spaß sogar besonders gut. Wenn ihr in einer (außer)schulischen Bildungseinrichtung oder im sozialen Bereich arbeitet und Interesse an einer Kooperation habt, sprecht mich an. à Kontakt | EduTale
Und es geht noch viel weiter. Nach den positiven Erfahrungen auf dem LARP- and Reenactement Basar in Oberhausen möchte ich dieses Jahr auf der Krähen- und auf der Feen-CON sein. Noch größer wird sicherlich die erstmalige Ausstellung auf der SPIEL2023. Im letzten Jahr konnte ich mich dort sehr gut mit Pen-&-Paper Rollenspiel-Verlagen und anderen professionellen Anwender*Innen vernetzen. Und dieses Jahr möchte ich selbst dort ausstellen und mein Konzept und EduTale® präsentieren. Ich hoffe, dort mit vielen von euch in Kontakt treten zu können.
Eines meiner Ziele ist es, Pen-&-Paper Rollenspiel in neuen, professionellen Anwendungen zu etablieren. Und ich freue mich sehr, eine Kooperation mit Prolog, dem Fortbildungszentrum des Logopädie-Verbandes, ankündigen zu können. Am Freitag 17. März werde ich eine Fortbildung zu Pen-&-Paper Rollenspiel in der Einzeltherapie - eine flexible und sprachaktivierende Methode - geben.
- Workshop am 17. März: https://www.prolog-shop.de/online-fortbildungen/8806/pen-paper-rollenspiel-in-der-einzeltherapie#
Und es wird noch andere Highlight in 2023 geben. Aber mehr kann und möchte ich zur Zeit nicht verraten. Wenn ihr neugierig seid und Lust auf regelmäßige Updates habt, folgt EduTale auf den unterschiedlichen Social Media Kanälen.
Eure Kathrin Fischer
Rollenspiel mit Kindern mit Migrationshintergrund
Rollenspiel mit Kindern mit Migrationshintergrund
Diesen November hatte ich Gelegenheit, drei Projekttage mit Kindern mit Migrationshintergrund durchzuführen. Die Idee war, durch Rollenspiele die Kinder spielerisch zum Sprechen und Schreiben zu aktivieren und sie gleichzeitig für Geschichten zu begeistern. Das Programm richtete sich an Gruppen von bis zu sechs Kindern zwischen acht und dreizehn Jahren. Ich muss zugeben, dass ich etwas unsicher war, ob die Kinder mit dem Spiel zurechtkommen würden, da sie immerhin der Geschichte folgen mussten und ich sonst zwar mit Kindern mit Teilleistungsstörungen arbeite, aber nicht mit Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen. Ich kann allerdings vorwegnehmen: Es hat wirklich gut funktioniert.
Als erstes haben wir uns nach einer kurzen Vorstellungsrunde dem Thema des Spieles angenähert Märchen. Dazu wurde ein kurzes Märchen in leichter Sprache vorgelesen, in dem schon die zukünftigen Charaktere aus dem Rollenspiel auftauchten. Auch konnten in dieser Phase schon einige Wörter erklärt und Vorwissen eingebracht und aktiviert werden. Es war toll zu sehen, dass den Kindern im Laufe dieser Phase immer mehr Märchen einfielen, die sie schon kannten, manche aus ihren Heimatländern, manche in verschiedenen Versionen. Schnell war klar: Märchen gibt es überall auf der Welt, Märchen gibt es in unterschiedlichen Versionen. Danach wurden Die Charaktere mit Infozetteln besser vorgestellt: Hier kamen auch Fähigkeiten in den Blick, die im Spiel eine Rolle spielen würden. Danach erstellten die Kinder den Hintergrund ihrer Charaktere über eine Art Freunde-Buch. Hier konnte ich auch weiter bei Schreibung unterstützen. Die Kinder halfen sich jedoch auch viel gegenseitig und so hatten wir am Ende dieser Phase eine Abenteurertruppe, die schon viele Bezüge zueinander in ihrem Freundschaftsbuch gesammelt hatte – und jeder einen Charakter, von dem er oder sie und die anderen eine recht gute Vorstellung hatten.
So war auch der Einstieg in das eigentliche Spiel sehr unproblematisch. Durch unterstützende Musik und Bilder, die den jeweiligen Ort der Handlung illustrierten fanden die Kinder sehr schnell ins Spiel. Zur Sicherheit hatte ich viele Wortkarten vorbereitet, die ich jedoch wenig brauchte, die Kommunikation untereinander klappte gut, auch. Weil sich alle sehr viel Mühe gaben zu erklären, was sie meinten. Die in das Abenteuer eingebauten Aufgaben wurden mit viel Einsatz gelöst: Ich musste weniger helfen als gedacht und es gab tolle kooperative Lösungsansätze für knifflige Situationen, in denen jeder Charakter etwas beisteuerte.
Als Fazit kann ich sagen, dass meine Bedenken, ob das Angebot vielleicht zu schwierig wäre, unbegründet waren. Die Kinder kamen sehr gut mit dem Spiel und den einzelnen Aufgaben zurecht. Sie haben super im Team gearbeitet und auch kniffligere Sprachaufgaben mit viel Geduld gelöst.
Ich würde so ein Angebot jederzeit wieder machen und kann es auch anderen nur empfehlen!
Gewaltfreiheit im Rollenspiel
Gewaltfreiheit im Rollenspiel
Häufiges Thema in Rollenspiel-Diskussionen zu Anwendungen im Bildungs- und Therapiesektor ist die Frage nach der Gewalt, oft mit Fokus auf körperliche Gewalt und Tod. „Sollen die Charaktere jemanden töten können?“, „Darf ein Charakter gewaltsam sterben?“ und „soll es Waffen und Kämpfe geben?“ Das sind interessante Fragen, die auch abhängig von Kontext unterschiedlich beantwortet werden können. Ich möchte heute aber von einer anderen Seite auf das Thema kommen und fragen:
„Wie kann man Gewaltfreiheit in ein Rollenspiel Spiel bringen und etwas über dieses Konzept lernen?“
Dazu erneut meine alte Anekdote: Meine Therapiegruppe wechselte von dem System „Tails of Equestria“ zu dem klassisch aufgestellten Rollenspiel „Beyond the Wall“. Bei der ersten Begegnung mit potentiellen Feinden (die Goblins im Dungeon) kämpfen sie natürlich nicht, sondern fragen nach: „Wie sehen die Goblins aus? Sind sie wütend oder besorgt?“ und fragen die Goblins „Was für ein Problem habt ihr? Können wir euch helfen?“
Dieses Verhalten passt überhaupt nicht in das vorgesehene Abenteuer und wirkte deshalb absurd. Für die Spieler*innen verhalten sich ihre Figuren aber so, wie sie es gelernt haben:
Natürlich haben die Spieler*innen so reagiert, weil in „Tails of Equestria“, so wie ich es mit Ihnen zuvor gespielt hatte ,Probleme der NSCs gelöst werden müssen. So wurden Antagonisten in der Regel zu Freunden. Es ging nicht darum, nicht kämpfen zu dürfen, sondern Möglichkeiten zu finden, dem Gegenüber zu helfen. Das ist eher untypisch für Pen-&-Paper Rollenspiele: Starter/Einsteigerspiele diverser Regelwerke steigen mit Kämpfen ein, schließlich sollen die Kampfregeln schnell gelernt werden, damit die Kämpfe im Spiel später rund laufen.
Was aber haben die Spieler*innen bei mir in Equestria gelernt?
Sie nehmen ihr gegenüber, den NSC zunächst genau wahr indem sie der Beschreibung lauschen und nach äußeren Merkmalen der Stimmung suchen. Dann stellen Sie der Figur Fragen. Sie haben Interesse zu helfen und wenn dies gelingt, ist das ein großer Erfolg, über den man sich gemeinsam freut.
Vor einiger Zeit las ich für ein Projekt das Buch „Gewaltfreie Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg. Ich ging zunächst kritisch an das Werk, ist es doch mehr Ideologie, die in der Tradition der Lehre des Dalai Lama, als empirisch gesicherte Methodik. Das Grundprinzip ist jedoch so einfach wie überzeugend und das Ziel eine Verbesserung der Lebensqualität jedes Einzelnen. Vereinfacht besteht der Prozess darin,
- auszudrücken oder wahrzunehmen, wie es sich selbst und anderen geht,
- seine Gefühle auszudrücken oder die des anderen zu erfragen,
- daraus die Bedürfnisse zu definieren
- und als letztes Bitten zu formulieren.
Das klingt recht einfach, funktioniert im Alltag aber oft nicht, da wir teils nicht wissen, was wir fühlen, uns die Worte fehlen oder uns peinlich ist, über Gefühle zu sprechen. Oft machen wir uns selbst und anderen eher Vorwürfe, als auszudrücken, was uns wirklich fehlt und so kommt es schnell zu Streit.
So kann der Weg zur Gewaltfreiheit über Sprache und Kommunikation führen – und genau das ist schließlich eine große Stärke von Pen-&-Paper Rollenspielen!
Natürlich besteht nicht jede Runde „Tails of Equestria“ aus Gewaltfreier Kommunikation und wird diesem Konzept gerecht, aber ich habe hier gelernt, dass ein Spiel Spaß machen kann, welches Aspekte davon aufnimmt. Nicht als Verbot von Kampf, sondern als Möglichkeit der Problemlösung.
Und natürlich möchte nicht jeder in der zuckersüßen Pony-Welt traurige Kätzchen trösten. Ich kann mir aber durchaus Charaktere in klassischen Settings vorstellen, die Gewaltfreie Kommunikation in ihr Grundkonzept einarbeiten könnten. Zum Beispiel eine Gruppe Geistliche. Ich warte gerade auf mein Avatar-Rollenspiel und werde es damit ausprobieren.
Vielleicht probiert Ihr es auch mal aus,
Eure Kathrin
Projektwoche mit angehenden Erzieher*innen
Projektwoche mit angehenden Erzieher*innen
Der Workshop am Berufskolleg fand im Rahmen einer Projektwoche der Schule statt.
Eine Lehrerin hatte das Konzept von Pen-&-Paper als Methode in unserem Workshop kennen gelernt und dem Kollegium vorgeschlagen. Da es sich bei den Teilnehmenden um Studierende handelt, die sich in der Ausbildung zu Erzieher*innen befinden, lag der Schwerpunkt natürlich auf der Anwendbarkeit der Methode in diesem Bereich. Gleichzeitig sollte die Projektwoche aber auch einfach Spaß machen.
Es hatte vor einigen Jahren wohl schon einmal ein Projekt zu dem Thema gegeben, dieses wurde aber als „zu eng und speziell“, „nur für Erwachsene“ und „zu lang und aufwendig“ empfunden. Toll, dass die Schulleitung trotzdem bereit zu einem zweiten Versuch war! Schnell stellte sich heraus, dass viele der Teilnehmenden schon Erfahrung mit Pen-&-Paper hatten und sich bereits darauf freuten, dass ihrem Hobby in dieser Woche Raum gegeben würde. Sie erwarteten vor allem Spaß, aber auch, mehr über Rollenspiel zu erfahren und Erfahrung als Spielleitung zu sammeln.
In den ersten zwei Tagen wurden dafür die Grundlagen gelegt: Es gab theoretischen Input zu PnP und PnP als Methode und natürlich wurde ein Beispiel-Spiel (Abenteuer im Märchenwald) gespielt (und natürlich von Teilnehmenden geleitet), um den erfahrenen Spieler*Innen zu zeigen, wie ein einfaches Spiel für Kinder aussehen kann und den neuen Spieler*innen das Grundprinzip von PnP zu verdeutlichen. Gleichzeitig lagen bekannte PnP-Spiele verschiedener Genres zur Ansicht aus.
Auf dieser Grundlage entwickelten die Studierenden nun selbständig Projekte: Sie legten Zielgruppen fest und begannen dann, Material für ihre Spiele zu erstellen, die vor allem die Zusammenarbeit in der Gruppe fördern sollten. Dabei gingen sie organisiert vor, verteilten Aufgaben und führten Listen darüber, was noch zu erledigen war. Sie arbeiteten dabei freiwillig teils noch lange in den Nachmittag und Abend hinein. Die Begeisterung für ihre Projekte war inspirierend und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen. Es wurden drei verschiedene Abenteuer anwenderfreundlich geschrieben und dazu viel Bildmaterial erstellt und außerdem altersgerechte Charakterbögen entwickelt. Eine Plakatwand mit Abenteuerstrang und Rätseln für erwachsene Teams und eine PREZI, die in einfachen Worten und Bildern PnP für Interessierte erklärt gab es außerdem.
https://prezi.com/view/0mx8xffQD12zbIEexYag/
Am Tag der Präsentation fürchteten wir zunächst, dass die Spielrunden nur wenig besucht würden, da es so viele andere Angebote der Schule gab. Die Sorge war jedoch unbegründet: von 11:30 bis 16:00 wurden fast pausenlos die drei Abenteuer in wechselnden Gruppen gespielt. Die Spielerinnen hatten Spaß und spielten teils mehrere Abenteuer nacheinander: „Der Märchenhof“, „Der Goblinwald“ und „Der verlorene Schuh“ standen zur Wahl, oder man erschuf einen Helden in der “Heldenwerkstatt“. Auch die Spielleiter hatten viel Spaß, waren nach ihren Runden, trotz Abwechseln jedoch etwas erschöpft. „Jetzt, weiß ich, was ich meinem Spielleiter in unserer Hobbyrunde zumute, wenn er eine ganze Kampagne leiten soll,“ äußerte einer der Studierenden. „Es ist so anstrengend, sich immer etwas auszudenken. Ich lasse dann die Spieler mittlerweile auch selbst etwas vorschlagen, wie wir das in ihrem Spiel gemacht haben,“ meinte ein anderer.
Ich hoffe, dass die Studierenden etwas von der Begeisterung dieser Woche mitnehmen können und auch ihr Material und gelernte Techniken weiter nutzen werden. Auch der Aufbau der Projektwoche mit Theorie, praktischer Arbeit und Reflexionsphasen kann den Studierenden als Beispiel für eigene Projekte dienen. Möglicherweise folgt noch eine spätere Abfrage, ob und welche Inhalte nach Abschluss der Projektwoche noch weiter genutzt wurden.
Ich freue mich auf weitere fantastische Projekte,
Eure Kathrin Fischer
Rollenspiele - eine Frage des Alters?
Rollenspiele - eine Frage des Alters?
Rollenspiel scheint ein Spiel für Männer mittleren Alters mit akademischen Hintergrund zu sein. So das gängige Klischee, das auch in vielen Medien so wiedergespielt wird. Ich denke da insbesondere an die Serie „Big Bang Theorie“, in der vier männliche Wissenschaftler einer Universität u.a. das Rollenspiel Dungeon und Dragons spielen.
Auch die aktuelle Rollenspielumfrage der deutschen Pen-&-Paper Rollenspiel Verlage aus dem Jahr 2022, an der sich mehr als 7000 Spieler*Innen beteiligt haben, bestätigt dieses Bild.
Bild: Online Umfrage 2022 der Interessensgemeinschaft deutscher Pen-&-Paper Rollenspiel Verlage
Mehr als 3/4 der Spieler*Innen, die an der Umfrage1 teilgenommen haben, sind zwischen 25 und 50 Jahre alt, die Altersgruppen unter 18 Jahre und über 60 Jahre tauchen fast nicht auf. Das ist auffallend, ist doch die Altersverteilung in Deutschland eine andere2: 17% der Menschen in Deutschland sind unter 18 Jahre alt, 29% sind 60 Jahre oder älter. Haben Menschen dieser Altersgruppen kein Interesse an Pen-&-Paper Rollenspiel oder gibt es keine passenden Spiele für diese Altersgruppen?
Bild: Altersverteilung der deutschen Bevölkerung Statista
Zunächst ist beim Vergleich der Statistiken Vorsicht angebracht. Die Umfrage unter den Spieler*Innen wurde ausschließlich online durchgeführt und soziale Medien wie Facebook, Twitter und Rollenspiel spezifische Foren verwendet, um Teilnehmer zu gewinnen. Die Nutzer von Facebook und Twitter zeigen eine andere Altersverteilung als Daten der Gesamtbevölkerung: Wesentlich weniger junge, bzw. alte Menschen nutzen Facebook und Twitter3. Der Anteil der unter 18 jährigen beträgt bei Facebook 8%, bei Twitter 6%; der Anteil der über 60 jährigen beträgt bei Facebook weniger als 11%, bei Twitter weniger als 8%. Das liefert schon einen Teil der Erklärung für die geringe Resonanz des Pen-&-Paper Rollenspiels bei sehr jungen, wie auch sehr alten Menschen im Rahmen der Rollenspiel Umfrage.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass Rollenspiele für sehr junge, wie auch ältere Menschen geeignet sein können. Ja, sie eignen sich sogar für ein Generationen übergreifendes Spiel, z.B. in der Familie oder in Vereinen.
Foto: Pia Leandra Rodermond
Auch viele andere Spieler*Innen haben eigene Kinder und knapp 26% nutzen Rollenspiele innerhalb der Familie, wie die Online Umfrage der Rollenspiel Verlage zeigt1.
Das inhaltliche Potential für den Einsatz von Pen-&-Paper Rollenspielen ergibt sich durch die kooperativen und kommunikativen Aspekte. Uns führt es regelmäßig als Familie an einen Tisch. Und auch erste Spieleabende mit der Großmutter, der Großtante und Freundinnen dieser Generation funktionieren ohne Probleme. Dabei achte ich jedoch darauf, dass entweder familienfreundliche Spiele genutzt werden oder Standardspiele modifiziert werden. Denn viele gängige Rollenspiele enthalten Gewalt oder sexistische Elemente, die ich z.B. für Kinder unangebracht finde. Das Angebot für familienfreundliche Spiele wächst jedoch: Nennen möchte ich Little Wizard von Green Gorilla, Beyond the Wall von System Matters, sowie Tails of Equestria und Die Schwarze Katze von Ulisses. Gerne verwende ich auch meine eigenen Spiele, die ich für den Einsatz in der Schule und in der Therapie entwickelt habe.
Foto: Pia Leandra Rodermond
Pen-&-Paper Rollenspiel ist keine Frage des Alters. Ich sehe sogar Potential für den Generationen übergreifenden Einsatz und bin gespannt, ob Rollenspiel Verlage noch mehr in diese Richtung entwickeln werden.
Mit rollenden Grüßen,
Eure Kathrin Fischer
Referenzen:
1 Daten aus der Rollenspielumfrage - System Matters Verlag (system-matters.de)
2 Verteilung der Bevölkerung nach relevanten Altersgruppen 2021 | Statista