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Pen-&-Paper Rollenspiele in der Familie

veröffentlicht am: 19.12.2021
Pen-&-Paper Rollenspiele in der Familie

Spielen im alten oder neuen Freundeskreis ist super. Viele, die schon lange spielen, verknüpfen das Spielerlebnis mit einer gewissen Peer-Group, es gibt jedoch keinen Grund, sich auf diese Gruppen zu beschränken, das führt eher zu Exklusion in der Rollenspielszene. Umso schöner ist es zu sehen, dass immer mehr Familien das Pen-&-Paper Rollenspiel für sich entdecken. Auch für meine professionelle Beschäftigung mit dem Thema war das Spielen in der Familie und die spannenden Beobachtungen, die ich dabei gemacht habe, der Auslöser. Deshalb möchte ich euch ans Herz legen, mit euren Familien zu spielen:

1. Wenn wir miteinander spielen, hören wir uns intensiv zu. Kinder lassen sich gerne Geschichten erzählen und hier dürfen sie dabei selbst aktiv werden. Das wird schnell zu einem spannenden, intensiven Erlebnis. Sie erleben außerdem, dass ihnen selbst zugehört wird und das, was sie sagen, relevant ist und Auswirkungen auf das Spiel hat.

2. Man kann seine Familienmitglieder von einer anderen Seite kennen lernen. Im Spiel können sie andere Rollen auf verschiedenen Ebenen einnehmen, dabei haben Kinder oft wenig Hemmungen, eine Rolle auszuspielen und lassen sich intensiv auf eine Geschichte ein. Meine Erfahrung ist außerdem, dass sie die Mechanismen des Spieles schnell begreifen. Man kann oft schneller als gedacht das Spiel aus der Hand geben, Entscheidungen des Worldbuildings abgeben und sie auch selbst leiten lassen (Meine Großen haben mit neun ihre ersten Abenteuer nach Textvorlage geleitet, aber auch die Sechsjährige kann schon einfache Abenteuer als Landkarten plotten und leiten).

3. Ein netter Nebeneffekt ist dabei, dass sie aktiv lernen, wie Geschichten aufgebaut werden. Davon haben sie in Klassenarbeiten schon profitiert (weshalb ich auf die Idee kam, es didaktisch zu nutzen). Sie lernen aber auch, wie an eine Person beschreiben kann, dass Figurenmotivation wichtig für eine Geschichte ist und – und das ist mein persönlicher Anspruch – dass es viele Möglichkeiten geben kann eine problematische Situation zu lösen und Gewalt meist die schlechtere Wahl ist.

Und hier bin ich an dem Punkt, der mir besonders wichtig ist: Mit den Geschichten, die wir erzählen offenbaren wir einen bestimmten Blick auf die Welt. Ich möchte hier keine verkürzte Schwarz-Weiß-Sicht verstärken. Bösewichte sind nicht böse, weil sie böse sind, auch die haben eine Motivation. Wir können diese Interaktionen spielen und Figuren im Spiel können kommunizieren. Das ist auch für Kinder nicht zu komplex: Allerdings müssen manche das erst lernen, weil sie aus Computerspielen andere Strategien gewohnt sind. Gleichzeitig sollte man offen dafür sein, Motive aus den Interessensgebieten der Kinder zuzulassen, auch wenn sie zunächst nicht in die eigene Vorstellung von Rollenspiel passen.

Wir haben beispielsweise mit meinem Sohn ein Abenteuer gespielt, zu dem er sich durch ein GIF inspirieren ließ: Eine tanzende Banane. Dieses Abenteuer hatte alles: Spurensuche, Action, tragische Wendungen, geheime Investigation, eine Verfolgungsjagd und plotrelevantes Tanzen. Es war spannend und unterhaltsam,  für die größere und die kleinere Schwester und auch für uns als Eltern. Und ich muss zugeben: Da wäre ich niemals selbst drauf gekommen.  

Jetzt schreibe ich die ganze Zeit vom Spielen mit Kindern, da muss man aber nicht stoppen. Ich habe es jetzt auch mal mit meiner Mutter und meiner Tante ausprobiert und auch das hat wirklich gut funktioniert, ich habe mich eigentlich nur gefragt, warum ich es nicht vorher ausprobiert habe. Zu Beginn kostete es sie etwas Überwindung sich mit etwas zu beschäftigen, was keinen offensichtlichen Sinn ergibt, dabei nur für sich selbst und nicht für die Kinder gedacht ist und sich in die Geschichte hineinfallen zu lassen. Auch hier war es eine intensive, gemeinsame Zeit in der man sich selbst, die anderen und den Blick auf die Welt neu kennengelernt hat.

Spiele für alle:

Monsterjagd (Uhrwerk Verlag): Das Spiel ist vor allem für kleinere Kinder konzipiert und in verschiedenen Komplexitätsgraden spielbar. Die Alltagswelt wird mit Monstern ergänzt, die alle bestimmte Eigenschaften haben. Wer ein Monster kennt und sich ihm gegenüber richtig verhält, hat hier die besten Chancen und kann sich vielleicht auch mit ihm anfreunden.

Beyond the Wall (System Matters): Wem auch diese Regeln noch zu schwierig sind (abgespecktes oldschool D&D) kann sie leicht noch etwas vereinfachen. Das Spiel ist durch sein bodenständig fantastisches, teils märchenhaftes Setting mit wenig Änderungen (zu Gruseliges oder Gewalt abschwächen) für Kinder und Großeltern gut geeignet. Auch der Dorfcharakter und die NSCs sind für die Älteren etwas, woran sie gut mit Erfahrungen anknüpfen können. Bei nachlassender Sehfähigkeit die Infos aus dem Charakterbogen einfach in größerer Schrift drucken.

Und dann finde ich Rollenspiel besonders wertvoll: Wenn man es teilt, damit der Blick sich erweitern kann und es nicht in seiner exklusiven Gruppe immer in gleicher Form wiederholt. Familie ist erstmal recht exklusiv, aber durch die Generationenstruktur kann es von hier aus leicht geteilt werden.

Eure Kathrin Fischer